Eyes Wide Open

Die Idee, im Bright Eyes auch mal Musiker zu Wort kommen zu lassen, die mit Metal nicht das Geringste am Hut haben, besteht eigentlich schon seit Ausgabe 1. Doch gab es so viele andere wichtige Dinge, um die wir uns als neu entstehendes Fanzine kümmern mußten, daß diese Idee bisher noch nicht in die Tat umgesetzt werden konnte. Das lange Warten hat nun endlich ein Ende, denn das erste Special dieser Art gibt es nun exklusiv für Euch. Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut und uns den bayerischen Humoristen und Liedermacher FREDL FESL gesichert, der im süddeutschen Raum schon seit vielen Jahren für Furore sorgt und dort bekannt ist wie ein bunter Hund.

Zu hochdeutsch könnte man ihn wohl auch Alfred Fussel nennen und sollte wirklich ein Leser dabei sein, der nichts von ihm kennt, gibt's hier einige Zitate aus seinen Kompositionen, die wohl für sich selbst sprechen: "Ein Pferd das hat vier Beiner, an jeder Ecken einer, drei Beiner hätt´, umfallen tätt´, fünf Beiner hätt´, ausflippen tätt´", oder wie wär´s mit einem Auszug aus seinem Fußballied: "Auf einmal müllerts vor dem Kasten, das Volk schreit Uwe wie mir scheint, da schießt der Müller knapp daneben, denn er war ja nicht gemeint".

Der Fredl, wie man ihn liebevoll nennt, verletzt mit seiner Art von Humor niemanden, er hält sich ganz bewußt von politischen, rassistischen und sozialkritischen Themen fern, weshalb seine Lieder zeitlos sind und nie für Magenschmerzen und geteilte Meinungen sorgen. Die erste Kontaktaufnahme erfolgte über seine Lebensgefährtin Monika Fritsche, da der gute Fredl im Urlaub war. Warum sie denn nicht mitgefahren sei, konnte Fredl bei unserem Telefonat nach seiner Rückkehr beantworten: "Ja, sonst wäre es doch kein Urlaub gewesen." Alles klar. Der Termin wurde vereinbart und bei der Wegbeschreibung gab es gleich den nächsten Knaller: "... und wenn Du an der Kreuzung angekommen bist, hast du es fast geschafft. Du drehst dann nämlich wieder um und nimmst nach ungefähr 300 Metern die nächste Abzweigung links. Von der normalen Richtung her hat´s nämlich noch keiner geschafft und deshalb erkläre ich den Weg immer so." Dank meines wachsamen Scouts und guten Kumpels Bobesch haben wir das Drehmanöver aber bleiben lassen und fuhren schnurstracks ins Nichts, denn Fredl Fesl liebt die Abgeschiedenheit. An seinem Hof angekommen öffnet Monika uns die Türe und macht darauf aufmerksam, daß ihr Lebensgefährte noch in der Badewanne liegt, aber bald für uns zu sprechen ist. Sekunden später öffnet sich eine Pforte im Haus und der Fredl steht im Flur, wie ihn der Herrgott erschaffen hat, nur mit einem Handtuch bekleidet: "Ich wollte mich für die Presse so schön machen wie es nur geht, bin gleich da." In der Stube oder für unsere norddeutschen Freunde: im Wohnzimmer stand schon Kaffee und ein köstlicher Kuchen bereit und das Interview konnte losgehen.

Welches Verhältnis zur Rockmusik hat Fredl Fesl denn? "Also, ein Verhältnis habe ich keines, hihi. Die Rockmusik, tja, schwierig zu sagen. Wenn es grätzig (gräßlich) wird, also die Nerven vibrieren, dann kann ich es nicht brauchen. Die Erfinder des Rock ´n´ Roll, wie Chuck Berry und Buddy Holly höre ich gerne, auch mal etwas Blues. Am besten gefällt mir eben handgemachte Musik, technische Musik ohne Gefühl finde ich unerbittlich und sie geht mir schon bald auf die Nerven. Auf einer E-Gitarre habe ich noch nicht gespielt, nein, und besonders scharf bin ich darauf auch nicht."

Du bist jetzt 53 Jahre alt und somit hast Du die Hippie-, Flower Power- und Woodstockphase voll miterlebt. Hat das irgendwelche Spuren hinterlassen? "Ich habe damals genauso Musik gehört wie heute auch. Wer die Songs gesungen hat war mir relativ egal. Zu der Zeit habe ich mich mehr für den Sport interessiert, denn ich war Gewichtheber. Dieser vielbeschworene Geist ging am mir vorüber, ich habe mir immer meine eigene Philosophie gemacht." Die Philosophie ist sehr oft brotlose Kunst und vor Deiner Kariere als Humorist und Liedermacher hast Du doch sicherlich auch mal ganz normal gearbeitet, oder? "Ich habe mich schon immer für der Verarbeitung von Metall (also doch ein Metaller!) interessiert und deshalb erlernte ich den Beruf des Kunstschmieds. Nach der Lehrzeit bin ich zur Bundeswehr gekommen, eine schlimme Zeit, und nach der Bundeswehr wollte ich wieder als Kunstschmied arbeiten aber da war nichts zu verdienen. Daraufhin habe mich als Kürschner versucht aber das ist auch nicht so gelaufen und deshalb ging ich danach erst mal nach Spanien. Ich war dort mit Zigeunern unterwegs und habe einiges gelernt. Aus dieser Zeit habe ich einen sehr wichtigen Satz in spanischer Sprache behalten der übersetzt soviel bedeutet wie: Gibt es eine Preisermäßigung für Sänger?" Hier klinkt sich dann Fredl´s Freundin ein und weiß eine nette Geschichte zu erzählen. "Ich bin schon seit vielen Jahren eine Sammlerin von Eulen jeder Art. Bei unserem letzten gemeinsamen Urlaub auf Lanzarote habe ich in einem Supermarkt ein sehr schönes Eulen-Mobile gesehen, das ich natürlich haben wollte doch es war ziemlich teuer. Als wir dann an der Kasse standen, sagte Fredl wieder seinen berühmten Satz auf und die Frau an der Kasse schaute in völlig verständnislos an. Als er dann einen seiner markanten Jodler zum Besten gab, hat der ganze Laden schallend gelacht und wir haben uns über 200 Peseten gespart. Da dachte ich dann für mich, obwohl er diese Sprache eigentlich gar nicht spricht, bringt er selbst diese Menschen noch zu lachen."

Dies war nun ein kurzer Spanienexkurs, aber nach Fredl´s erstem Besuch dieses Landes war er doch noch nicht gleich der berühmte musikalische Mundartdichter, oder? "Nach meiner Rückkehr hatte ich keinen Job und ich habe beim Bühnenbau in Geiselgasteig was bekommen. Es hat damals geheißen, die nehmen nur Zimmerer und Schreiner, also bringe deinen Zimmererhammer, einen Meterstab und einen blauen Stift mit, dann hast du den Job. Viele vermeintliche Zimmerer und Schreiner haben sich schon am ersten Tag den Hammer mehrmals auf die Finger gehauen und sie wurden bereits am Vormittag wieder weggeschickt, doch ich als gelernter Schmied hatte da natürlich keine Schwierigkeiten. Vom Bühnenaufbau kam ich dank meiner Ausbildung dann zur Schlosserei in Geiselgasteig, anschließend bin zum Spezialeffekt gekommen, insgesamt war ich 2 ½ Jahre da draußen. Ein halbes Jahr habe ich auch noch als Bierfahrer gearbeitet."

Alles schön und gut, aber wie ging es mit dem Musikmachen weiter? "In München gab es damals eine Kneipe, wo heute Unionsbier draufsteht, in die ich immer gegangen bin. Das war damals eine Schüler- und Studentenkneipe, in der Liedermacher die bekannteren Vertreter ihrer Zunft nachgemacht haben. Das kostete damals drei Mark Eintritt, aber ich hatte immer meine Gitarre im Gitarrenkoffer dabei und als ich an der Kasse sagte, daß ich nicht genau weiß, ob ich heute spielen muß, kam ich immer umsonst rein. Die Gitarre war also immer mein Freifahrschein, mit Gitarrenkoffer giltst du immer als Musiker. Ich habe dann meinen Gitarrenkoffer ins Eck gestellt und habe geflippert und wenn etwas Interessantes auf der Bühne war, habe ich mir das angehört. Das ging dann ewig so weiter, mittlerweile war ich Stammgast, wahrscheinlich hätte ich meinen Gitarrenkoffer gar nicht mehr gebraucht, trotzdem war er immer dabei. Irgendwann kam dann der Abend, als im Programm ein von den Leuten erwarteter Künstler kurzfristig ausfiel und weil auch der an sich nächste Interpret noch nicht da war, entstand an dem Abend ein große zeitliche Lücke. Der Betreiber von dem Lokal hat mich dann gefragt, ob ich denn diese Lücke nicht überbrücken möchte. Ich habe mir dann meine Gitarre und meine Maß Bier (hey René, das sind zwei Halbe!) mitgenommen und ich habe dem Publikum lang und breit erklärt, was ich dann singen werde. Mein Auftrag war es, das Publikum mit nur drei Liedern eine halbe Stunde lang bei Laune zu halten. Dann habe ich eben vorher den Inhalt der Lieder möglichst lang und breit komisch erzählt und die Zuschauer mußten da schon fürchterlich lachen. Bis dahin war es übrigens nicht üblich, daß man lange Vorreden hielt. Mittlerweile machen es zwar alle so, aber ich muß jetzt schon sagen, daß ich da ein Vorreiter war, aber natürlich nur aus der Not heraus. Das hat den Leuten so sehr gefallen, daß ich weiter an Liedern geschrieben habe. Daraufhin spielte ich immer wieder dort und diese Auftritte brachten mir soviel Geld, daß ich davon leben konnte."

So also beginnt eine Karriere als Künstler, ich kaufe mir jetzt einen Gitarrenkoffer, soviel ist sicher. Nun wollte ich von good old Fredl natürlich wissen, was bei seinen unzähligen Auftritten die außergewöhnlichste Geschichte war, die ihm widerfuhr. "Da sind viele Sachen passiert. Ach ja, die alte Geschichte von Prien. Zu der Zeit habe ich noch mit einem Kumpel zusammengespielt. Da wurde mal ein Abend für dem damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel organisiert und wir wurden engagiert. Da wurde dann ein Riesen-Buffet aufgebaut und alle standen mit ihren Nobeltrachtenanzügen herum und jeder hat darauf gewartet, bis der hohe Herr kommt. Das Bier war auch schon angezapft und da haben mein Kumpel und ich uns schon mal eine Maß geholt. Die haben natürlich alle blöd geschaut, als der Scheel dann endlich kam, jeder ohne irgendwas dastand und wir zwei unser Bier schon hatten. Später am Abend haben wir dann unser Programm gespielt und als die Gesellschaft zu laut wurde haben durchs Mikro gebrüllt: ´Wir spielen jetzt etwas leiser, dann müßt ihr euch beim unterhalten nicht so die Lunge aus dem Leib schreien.´ Dann haben alle ziemlich blöd geschaut, wie auch der Scheel, und auf einmal war Ruhe. Als mich Scheel bei seinem Abschied dann fragte, ob es mir auch Spaß gemacht hätte, habe ich nur gesagt, beim Papst damals war es lustiger."

Wollen wir trotz der sehr erheiternden Geschichten zum rauhen Alltag des Metals zurückkommen. Ist bei einem Deiner Auftritte schon einmal ein BH auf die Bühne geflogen? "Nein, kein BH, aber ein Schuh und ein Schlüsselbund. Das geschah bei einem Auftritt in München. Unter den Zuschauern war da eine Privatclique, die ihre eigene Gaudi (hey René, das bedeutet Spaß!) hatte. Ich begann dann meinen Auftritt und diese eine Gruppe störte das restliche Publikum. Irgendwann hat der eine der Gruppe den Schlüselbund eines anderen auf die Bühne geworfen und als Rache hat der andere den Schuh des einen ebenfalls auf die Bühne geworfen. Das störte mich dann doch etwas und ich ging runter und habe dem Betreffenden eine geschmiert. Dann war da ein Frau die sagte, das war doch gar nicht er und darauf entgegnete ich, sei doch froh, daß Du keine geschmiert bekommen hast. Nein, es ging nicht gleich weiter, wir hatten dann erst eine kleine Diskussion."

Als Fredl meinen Begleiter Bobesch dann auf 300 Kilo und nicht auf sein exaktes Gewicht, nämlich drei Zentner, schätzte, konnte es auch gleich weitergehen. Der Fredl selbst bringt zwar nicht ganz soviel Gewicht auf die Waage, aber eine athletische Figur hat er auch nicht gerade. Trotzdem gehörte es immer zu seinen Markenzeichen, nach Beendiguing eines Auftrittes einen Handstand auf einem Biergartenstuhl vorzuführen. "Nein, den Handstand mache ich nicht mehr, weil mir die Schulter weh tut. Ich habe da eine chronische Sehnenentzündung oder irgendsowas. Entstanden ist die Idee mit dem Handstand 1978, als ich beim Zirkus Atlas Auftritte hatte. Nachmittags lief das Zirkusprogramm und am Abend fand mein Konzert statt. Die Zirkusbetreiber haben mich dann irgendwann gefragt, ob ich nicht auch im Zirkusprogramm mitwirken könnte, damit auch schon am Nachmittag mehr Zuschauer kämen. Wir haben dann eine Handstandnummer zum besten gegeben und irgendwann habe ich diese Nummer in mein reguläres Programm übernommen. Bei einem Auftritt wird dem Stuhl nämlich viel zu wenig Beachtung geschenkt, wo ein Abend ohne ihn doch gar nicht möglich gewesen wäre, mit dem Handstand habe ich also den Stuhl präsentiert. Gleichzeitig ist das für den Hausmeister ein Zeichen, weil er weiß, daß der Auftritt beendet ist, wenn ich meinen Handstand gemacht habe, dann kann er das Saallicht ausmachen."

Ist Handstand auf dem Stuhl das gleiche wie Stuhlgang in die Hand? Das hat hier wohl nichts verloren, deshalb weiter. Bei den Zungenbrechern, die Fredl Fesl mit einer unglaublichen Geschwindigkeit runtersingt, sollte man meinen, daß das Verhaspeln im Text immer wieder mal vorkommt. "Also meine Texte die sitzen und wenn dann wäre es auch kein Beinbruch." Fredl hält sich darauf hin bedeckt, aber Frau Fesl in spe (?) fährt fort. "Ich kann mich an einen Auftritt erinnern, als er die ersten drei Strophen eines Liedes singt und auf einmal hat er abgebrochen. Er hat dem Publikum dann gesagt, daß er im Moment zwar nicht weiß, wie der Text weitergeht, aber er kann den Rest ja auch erzählen. Wir in der Regie waren anfangs total perplex, mein Gott, er hat seinen Text vergessen, aber er macht das so gekonnt, daß das Publikum dachte, daß gehört jetzt so zu der Nummer." Sowas nennt man wohl Improvisationsgenie. Obwohl der Fredl stets gute Laune verbreitet und er scheinbar immer guter Dinge ist, gibt's natürlich auch bei ihm ein paar Dinge, die ihn auf die Palme bringen. "Wenn Leute im Publikum sitzen, die so abgebrüht sind. Außerdem kann ich nicht mit dummdreisten Menschen. Wenn sie nur dumm und bescheiden sind ist es mir egal, was mich ärgert ist, wenn diese Menschen auch noch laut ihre Meinung vertreten. Aber im Großen und Ganzen bin ich nicht schnell auf der Palme." Vielleicht schaffe ich das ja mit einem Metal-Soundcheck, hehe.

DEEP PURPLE - Smoke On The Water
"Die Nummer kenne ich, die ist damals eigentlich überall gelaufen. Wer es singt, kann ich nicht sagen."

SLAYER - Dittohead "Also, wenn sowas im Autoradio laufen würde, würde ich wohl weiterdrehen."

SAVATAGE - Stare Into The Sun "Diese Melodie kenne ich, kann es sein, daß ich das Lied schon mal im Radio gehört habe?" Äh, nee.

FREDL FESL - Der Preißnjodler
"Der Weltmeister im Jodeln."

Alles in allem kann man Fredl Fesl wohl mit nichts aus der Ruhe bringen. Entspannen tut sich der gute in letzter Zeit beim Darten, dieser Kneipensport ist für ihn schon fast mehr als ein Hobby, wie man an seinem selbstgebastelten Darthelm auf dem Foto unschwer erkennen kann. Seine Darts baut er sich übrigens auf einer kleinen Drehbank selbst. Eine neue Platte veröffentlichen möchte er momentan nicht, auf Tour geht er nach Lust und Laune. Die letzten Worte gehören selbstverständlich Fredl himself. "Vor ein paar Jahren habe ich wirklich eine Scheißtour gespielt. Sie führte über Darmstadt, Pforzheim und Arsch-offen-burg." Bernd Joachim